Eine Nacht im Freien

Wir schlafen ja öfters unter freiem Himmel – im Sommer, wenn es angenehm warm ist, man abends gemütlich am Berg beisammen sitzen kann und die Stille bei einem guten Glas Wein genießt ohne es durch das Zittern zu verschütten. Doch dann ist da der Winter und die Übergangszeiten, in denen es auf den Bergen lediglich kalt, nass und nicht gerade einladend ist, draußen zu übernachten.

Entzugserscheinungen

Nach Monaten der Abstinenz empfinden wir die Decke in unseren häuslichen Schlafzimmern allerdings mehr als erdrückend. Und wenn man das Gefühl hat, das einem „die Decke auf den Kopf fällt“ sollte man diese einfach entfernen. Nun wären die Nachbarn oberhalb nicht gar erfreut, wenn ich mit Hammer und Meißel anfange, mich von der Beklemmung zu befreien. Also nix wie raus in die Berge und die vorhergesagte sternenklare Nacht genießen.

Iso-Matte, Primaloft-Schlafsack, Gaskocher mit Bialetti, mehrere Tafeln Schokolade und Rum für einen „staubigen“ Tee landen mal als erstes im Rucksack. Jetzt muss nur noch die LVS Ausrüstung und ein paar trockene Sachen rein und schon kann’s losgehen. Ein Ziel im Toten Gebirge ist schnell gefunden – zwei Freunde, Klaus und Daniel sind an Board und ein paar Stunden später schwitzen wir beim Anstieg zu unserem Freilufthotel.

Nummer sicher

Die Temperaturen sind um einiges kälter als vorhergesagt, aber das beunruhigt uns kaum. Immerhin wissen wir, dass nur unweit unseres geplanten Biwakplatzes eine Schutzhütte des Alpenvereins (Liezener Hütte) steht, welche an diesem Wochenende sogar bewartet wird. Wenn es uns zu kalt wird, die Füchse unseren Proviant vernichten oder das Verlangen nach einer Hopfenkaltschale zu groß wird, können wir nach einer kurzen Pulverabfahrt am warmen Kaminofen sitzen.

Aber das ist nicht der Plan und so stapfen wir unentwegt weiter Richtung Gipfel. Wird er abgeblasen sein? Haben wir dort überhaupt Schnee? Geht viel Wind? Noch sind die vorhergesagten Windböen kaum spürbar und wir hoffen, dass die Wetterscheide am Alpenhauptkamm ihr Nötiges verrichtet. Endlich am Hochplateau angekommen erleben wir eine magische Überraschung: der Vollmond (ok, nicht ganz – erst morgen zu 100%) sieht fast aus wie der Supermond vor wenigen Monaten.

Es ist taghell und mit zwei Fotografen unterwegs bedeutet, bei so einem Schauspiel gleich mal eine halbe Stunde an Zeit für Bilder zu „opfern“. Aber während im Osten der Mond strahlt, geht im Westen gerade die Sonne hinter dem Dachstein unter. Wie Mordor sieht der Gebirgsstock aus, in hellem blut-orange erleuchtet. Irgendwie gruselig.

Süße Pulverträume

Kurz darauf erreichen wir unser Ziel. Und es hat mehr als genug Schnee, Pulverschnee um genau zu sein. Während des Aufstiegs konnte ich schon das Grinsen in den Gesichtern meiner Freunde erkennen. „Morgen dürfen wir hier runter fahren, oh yeah“ … Aber vorerst hieß es mal Schaufeln. Ein Schlafplatz muss gezaubert werden, möglichst eben und windgeschützt. Aber unbedingt mit Blick Richtung Gesäuse, damit wir beim Sonnenaufgang das Spektakel aus unseren warmen Schlafsäcken genießen können.

Ein paar Tafeln Schokolade, mehrere Tassen Kaffee und Rum-Tees später legen wir uns zu später Stunde (es war halb 10) ins Schlafgemach und schauen den Sternen beim Wandern zu. Als die vorhergesagten -4°C dann ziemlich rasant auf -12°C runter purzelten waren wir froh, dick eingemummt zu sein. Und wir haben wieder mal gelernt, dass es im Schlafsack wärmer ist, wenn man weniger anzieht *g*

Nach dem x-ten Male Aufwachen wird es endlich hell hinter Hochtor und Planspitze im Gesäuse und der langersehnte Sonnenaufgang steht bevor. Begleitet von einer durchziehenden Wolkenschicht leider nicht ganz so spektakulär wie erhofft, aber selbst die entferntesten Strahlen erwärmen uns bereits und bei einer Tasse Kaffe, Tausend Fotos und der grenzenlosen Vorfreude auf die Pulverabfahrt packen wir unser Basislager wieder ein.

Um halb 10 vormittags, am Weg runter, wurden wir öfters verwundert gefragt: „Wo kommt’s ihr denn schon her um diese Zeit?“ … ein herrliches Gefühl, so etwas erleben zu dürfen.