Kalt, kälter, Winterbiwak

Zum Glück vergisst der Mensch recht schnell

Brrr, was für eine Nacht. Kalt, lang, aber sternenklar und wunderschön. Die Temperaturen vermutlich im zweistelligen Minusbereich. Einen Thermometer brauchen wir dafür nicht. Die Labels unserer Schlafsäcke weisen einen Komfort-Bereich von ca. -9°C auf. Jene Temperatur, bei der eine durchschnittliche Person gerade noch nicht friert. Naja, wir haben gefroren. Daher zweistellig. Sehr einfach.

Wir sitzen am Gipfel und erfreuen uns an den ersten Sonnenstrahlen, die sich mühsam von Osten her ihren Weg über die Berggipfel zurück erobern. Stück für Stück rückt sie näher, die Wärme, das Gefühl von „hach, überstanden“. Wir werfen den Gaskocher an und setzen erstmal Kaffee auf. Gewärmt wird jetzt von innen und außen. Wenige Minuten später blendet uns die volle Stärke der aufgehenden Sonne. Wir genießen diesen Moment, beobachten die umher schwirrenden Vögel – die wohl keinen Wurm mehr abkriegen – und erspähen schon die ersten Skitouren-Geher auf den gegenüberliegenden Gipfeln.

Zurück zum Start

Es ist bereits über ein Jahr her, dass wir eine winterliche Nacht im Freien verbrachten. Also aller höchste Eisenbahn, mal wieder die Daunenschlafsäcke auszupacken. Eigentlich wollten wir an diesem Wochenende den zweiten Teil unserer Überschreitung des Toten Gebirges in Angriff nehmen. Doch eine Lawinenwarnstufe von 3 ließ uns andere Pläne schmieden. Wir wussten nicht, in welches Gelände wir während der nächsten zwei Tage kommen werden, und so entschieden wir uns für eine eisige Nacht am Berg.

Gegen Mittag brechen wir auf. Der Rucksack-Vergleich erinnert an letztes Jahr. Von klein kompakt, bishin zu 50+ Liter ist alles dabei. Was zum Kuckuck nehmt ihr bitte mit? Ein kurzer Stop beim Supermarkt und schon steht einem kulinarischen Abenteuer nichts mehr im Wege. Würstel zum Grillen, Schoko als Nachspeise und Eier zum Frühstück. Klingt nach einem Plan. Als wir dann zwei alkoholfreie Bier in den Einkaufswagen packen, erstarrt Klaus ganz kurz und meint „Mit wem bin ich da bloß unterwegs“. Man möge sich später im Text an diese Passage erinnern.

Lastenesel hoch 3

Bislang haben wir den Winter für weite und hohe Touren genutzt, unser Gepäck auf ein Minimum reduziert und versucht, so wenig Gewicht wie möglich mit zu schleppen. Außer bei den Skiern, da haben wir nie gespart. Unter 106 mm Mittelbreite findet man bei uns ohnehin nichts. Selbst beim Skitourenrennen in Berchtesgaden, Soul of the mountains von Maloja, hatten wir vermutlich die dicksten Schlappen am Start. Nun aber ist der Rucksack voll mit Isomatte, Schlafsack, Gaskocher, alkoholfreiem Bier, Schoko und was man sonst noch so alles für eine Nacht im Freien benötigt. Wir schleppen wie die Weltmeister.

Aber auch der anstrengendste Weg ist irgendwann vorbei. Und so kommen wir am späten Nachmittag glücklich und fröhlich am Gipfel an. Nun heißt es Feuerholz von den abgestorbenen Bäumen sammeln und einen Biwak-Platz schaufeln. Eines lernten wir aus dem Abenteuer vom letzten Jahr: ein Windschutz ist Gold wert … oder zumindest eine wärmere Nacht. Also buddeln wir, Baumeister Klaus gibt vor und wir anderen schauen zu *g*. Irgendjemand muss ja auch den Überblick behalten.

Wind-Chill, was ist das?

Es weht ein eiskalter Wind, selbst in der Sonne sind wir weit entfernt von angenehmen Temperaturen. Wir huschen daher alsbald auf unser tief in den Schnee gegrabenes Nacht-Platzerl und machen Feuer. Hier hilft uns die leichte Brise beim Entfachen und im Handumdrehen haben wir eine Grillplatz. Würstel am Steckerl und Bier, was will man mehr. Doch selbst das Feuer kann uns diese Nacht nicht ganz wärmen und so verabschieden wir uns alsbald in die warmen Schlafsäcke.

Was anfangs noch ganz kuschelig wirkt, entpuppt sich leider alsbald als eher grenzwertig. Kurzum: es war deutlich kälter als jene Temperatur, die unsere Schlafsäcke im Stande sind abzuwehren. Aber es war auch weit davon entfernt, unerträglich zu sein. Ein guter Rhythmus aus schlafen, aufwachen, die kalte Nase reiben, umdrehen, etwas frieren und wieder einschlafen begleitet uns die ganze Nacht. Zum Glück ist die Zeitumstellung auf unserer Seite und schiebt den Stundenzeiger nachts mal um ein kleines Stück nach vor. Und irgendwann wachen wir auf und sehen kaum noch Sterne. Wir haben es geschafft. Also nix wie rauf auf den Gipfel zum Espresso …

Müde Beine oder was?

Wir haben noch keinen Plan, was wir mit dem angebrochenen Tag machen. Aber als wir uns umblicken und die zahlreichen Berggipfel erspähen wird klar, das wir auch noch eine kleine Tour starten. Also packen wir wieder alles zusammen, stopfen das Zeug in unsere Rucksäcke und fahren den Nordhang in bestem Pulver zu einer Hütte ab. Dort hinterlegen wir das Biwak-Equipment und machen uns auf den Weg zum nächsten Gipfel. Auch wenn der Rucksack heute wieder Normal-Gewicht hat, sind die Beine aufgrund der schlaflosen Nacht müde. Jeder Schritt wird zur Qual und wir müssen uns ganz schön motivieren, überhaupt noch weiter zu gehen.

Kurze Zeit später sitzen wir am Gipfel und genießen bei angenehmen Plus-Graden das Panorama. Klaus meint, es sei wohl keine so gute Idee gewesen, Alkohol zu trinken und wir erinnern ihn gerne und mit einem Schmunzeln im Gesicht, an seine Aussage im Supermarkt. Aber es hat vermutlich geschmeckt *g*. Wir sind froh, nicht mehr frieren zu müssen und sind uns einig, dass das nächste Biwak im Sommer sein wird. Wir haben jetzt die Schnauze voll, von kalten Nächten.

Die letzte Tafel Schoko wird geteilt und dann geht’s ab nach Hause. Der Weg zurück ist allerdings nicht einfach und wir müssen 2-3x an- bzw. abfellen. Dafür warten noch zwei tolle Rinnen südseitig, der Schnee ist butterweich und wir gleiten dahin. Die ständigen Gegenanstiege lassen uns schwitzen und vor der letzten Abfahrt sitzen wir bereits wieder im Schatten und grübeln: „Ob wir vielleicht doch noch mal ein Winter-Biwak einschieben?“ … Wie gut, dass der Mensch so schnell vergisst.